
“The Concept of Irony” heißt eine Arbeit von Friedrich Kunath aus dem Jahr 2008, die recht genau bezeichnet, was das Werk des 1974 in Chemnitz geborenen und in Ostberlin aufgewachsenen Künstlers prägt, der in Braunschweig bei Walter Dahn studierte.
Bei Friedrich Kunath wird die Welt zur Karikatur und zum psychedelischen Trip zwischen White Trash, Pop und Pubertät. Musik, Songtexte, Filme, Werbeslogans, Kunstgeschichte und Märchen speisen ein ausuferndes Werk, in welchem Aquarelle und Zeichnungen, Installationen und Skulpturen, Fotos, Bücher und Videos nebeneinander existieren.
Friedrich Kunath operiert mit den Mechanismen des Kitsches, den er als ikonographischen Fundus ebenso ernst nimmt wie die Emphase der deutschen Romantik oder die Semantik des Hollywoodkinos.

Magdalena Kröner: Du lebst und arbeitest jetzt fast einem Jahrzehnt in Los Angeles. Was, würdest Du sagen, hat Dein Interesse ausgelöst, nach Los Angeles zu gehen?
Friedrich Kunath: Für jemanden, der aus Ost-Berlin kommt, ist L. A. natürlich das Ultimative eines leeren Versprechens: Wüste, Idiotie, Substanz, Weite, Nähe, Trash, Artikulation, all diese Dinge liegen nur dort so nah nebeneinander. Wenn man London kennt oder New York, dann kennt man auch das Prinzip Stadt; das funktioniert in L. A. komplett anders. Irgendwie ist alles ein bißchen psychotischer hier.
MK: Es gibt in Chris Kraus’ Los Angeles-Buch “Video Green” ein Zitat, welches die Erfahrung, nach Los Angeles zu kommen, ganz ähnlich zusammenfaßt. Sie schreibt: „Es gibt hier nichts, außer dem, was man in der Lage ist, selbst auf alles zu projizieren. Keine Information, Stimulation. Keine Ablenkung. Keine Referenzen, Assoziationen, Versprechen, und so dehnt sich deine eigene Realität aus, bis sie den Tag füllt. Und das ist Freiheit.” Wieso mußte es Kalifornien sein, und nicht, wie bei vielen anderen zur gleichen Zeit, Berlin?
FK: Es war für mich ein guter Moment, so um 2006, 2007, nach zehn Jahren in Köln, zu einem Zeitpunkt also, als alle nach Berlin gegangen sind, aus dem Rheinland wegzugehen. Ich bin in Chemnitz geboren, aber in Ost-Berlin aufgewachsen, in Pankow, da interessierte mich das, was alle damals in Berlin suchten, eher weniger: mich zog es eher in den Westen. Klar, in Chemnitz, Sachsen, wenn du an Caspar David Friedrich denkst, gibt auch vieles, was mich interessiert. Aber nach zehn Jahren Rheinland dort hinzugehen, hätte ich irgendwie als Rückschritt empfunden. 1999 war ich mal für ein Jahr in Berlin und bin da ziemlich abgestürzt, das war nicht so gut für mich. Das war wie ein Weg in die Dunkelheit, und ich wollte ins Licht, ins Helle…
MK: „I used to be darker But then I got lighter And then I got dark again“,… das hast Du vor ein paar Jahren als Titel einer Ausstellung benutzt…
FK: Genau das. Natürlich war das auch schwierig: in einer Stadt, die so viel verspricht, gibt es auch einen Abgrund. Das Grelle, die Dunkelheit, das Noir, alles existiert hier gleichzeitig. Es gibt viele Trash-Anteile und absurde Dinge, aber auch diesen besonderen Traumfabrik-Anteil: die Träume der ganzen Menschheit werden hier hergestellt. Als Künstler fühle ich mich einer Stadt enger verbunden, in der die Leute auch industriell an einer Narration arbeiten, als wenn sie vielleicht an der finanziellen Seite arbeiten würden, wie in New York oder London. Los Angeles besteht aus Geschichtenerzählern, und in dieser Tradition fühle ich mich wohl. Es gibt eine unerklärliche Liebe zu dieser Stadt, die einen ganz nah ranläßt und sich trotzdem so sehr entzieht. Das ist so ein Klischee, das man vielleicht nur versteht, wenn man hier ist. Es gibt ja auch diesen Spruch, dass L. A. so ist, als ob New York sich hinlegen würde. Da ist schon was dran: alles ist so zersplittert, was aber auch dafür sorgt, dass man eher auf der Suche bleibt.
MK: Wie würdest Du die verschiedenen Phasen Deines Ankommens beschreiben? Es ist ja oft so, dass man an einem neuen Ort erst mal das Vertraute abgrast; das, was man irgendwo schonmal gesehen hat: eine bestimmte Straßenkreuzung, den Strand; das, was auf den Instagram-Posts von anderen Leuten zu sehen war. Oder man sucht nach Filmbildern, die man im Kopf hat. Man will das erstmal alles wiedererkennen, und erst nach einer Weile, wenn die Dinge sich vertrauter anfühlen, ist man in der Lage, auch das Fremde deutlicher wahrzunehmen. Wie war das bei Dir?
FK: Das Vertraute ermöglicht natürlich immer den Rückbezug auf das Fremde, das Extreme. In meinem Fall war das erst mal die Kunstgeschichte, aber auch selbst Dinge wie Goethe bekamen plötzlich wieder eine neue Bedeutung. Das ist dir in der Schule irgendwann mal so gründlich verdorben worden und plötzlich sitzt du da bei dreißig Grad und suchst die alten Bücher wieder raus. Die Rückbezüge, die du da herstellst, vermischen sich dann wieder mit etwas Aktuellem, einem Film oder einem Stück Musik oder einer Situation, die extrem amerikanisch ist, die du dann wieder mit dem, was Neu ist, vergleichst. All das mariniert sich gegenseitig, und dabei entsteht etwas Neues, das kommt bei der Arbeit im Atelier dann raus.

MK: Heißt das etwa, Du bist noch mehr zum deutschen Romantiker geworden, seit Du in Kalifornien bist?
FK: Wenn es um Romantik geht, weiß ich zunächst einmal gar nicht, welche Art von Romantik eigentlich gemeint ist: die Hollywoodromantik ist ja eine andere als die deutsche Romantik. Ich glaube, der Bezug auf die Romantik funktionierte für mich immer schon nur mit einer bestimmten, ironischen Distanz. Mich interessiert das extrem Alberne und das extrem Romantische. Das ist ein bißchen wie ein Tennisspiel, ich springe auf dem Court hin und her und versuche, diese beiden Extreme im Spiel zu halten. Aber ich will das alles gar nicht so analysieren, das würde auch viel kaputtmachen.
MK: Du hast im Bezug auf Kalifornien mal gesagt, dass es in vieler Hinsicht ein Neuanfang war. Worin zeigte sich der Neubeginn in Deiner Arbeit?
FK: Ich denke, ich habe begonnen, mir hier viel mehr Sachen zu erlauben. Es gab diese Zweifel nicht mehr, die vorher da waren. In Deutschland, wo man im Atelier im Hinterhof saß, wo die Community ja viel enger ist und vielleicht auch ehrlicher, und man sich viel mehr austauscht, verbietet man sich viel mehr. Man verbietet sich, zu autobiographisch zu werden, zu romantisch oder zu ironisch. Da gab es in Amerika natürlich erstmal: nichts. Eine Wüste aus Indifferenz. Das hat aber auch eine plötzliche Freiheit ermöglicht, die ich sehr genieße. Das hat mir geholfen, über Dinge nicht zu viel nachzudenken, so wie man das in Deutschland an den Akademien pflegt…in L. A. hab ich erstmal gemacht, ohne allzuviel nachzudenken.
Friedrich Kunath, You Go Your Way and I’ll Go Crazy, 2012, Digital video, Courtesy der Künstler und BQ Berlin
MK: Wie sind Dein Film „ You Go Your Way and I’ll Go Crazy“ und das Künstlerbuch “You Owe Me A Feeling” mit den Texten des Sängers und Songwriters David Berman und dem Ex-Model Rudy Verwey als Protagonisten entstanden?
FK: Das war so etwas wie eine Ode an die Stadt Los Angeles aus der Perspektive von jemandem, der von außen dazukommt. Und es spielt mit diesen ganzen Klischees vom Künstlersein, die der Darsteller stellvertretend für mich ausführt. Er macht all das, was man sich so vorstellt, aber was in meinem Fall überhaupt nicht stimmt: ich male meine Bilder teilweise nicht selbst und schon gar nicht an einer Staffelei, ich trinke keinen Rotwein, solche Sachen. Aber trotzdem gibt es neben dem ironischen Blick natürlich auch so ein Sehnsuchtsbild nach einer Identität als Künstler wie es den vielleicht mal gab. Ich habe nach jemandem gesucht, der eine eigenartige Authentizität besitzt, die ich ja erstmal gar nicht habe, ich eigne eine mir hier ja eher alles an.
Friedrich Kunath, Friedrich Kunath: You Owe Me A Feeling, in collaboration with David Berman and Michael Schmelling, 2013
MK: Wie hast Du den markanten Hauptdarsteller gefunden? Kanntet ihr euch?
FK: Ich habe ihn gecastet. Ich wollte jemanden finden, der das für mich durchspielen und glaubhaft verkörpern konnte. Und ich habe nach jemandem gesucht, der wie eine Figur in meiner Arbeit wirkt. Ich habe überlegt: wie würde jemand aussehen, der quasi eine Essenz meiner Arbeit wäre; was für ein Gesicht hätte der, wenn er aus dem 3D-Drucker käme, was für eine Haltung, was für eine Stimmung? Rudy verkörpert eine bestimmte Art von Eleganz, so eine dunkle Seite, aber der Typ ist eben auch schon ein wenig an den Ecken ausgefranst. Er erschien mir ein bißchen wie ein kaputter Frank Sinatra, der am Boden lag; jemand der in seinem Versprechen irgendwie schon untergegangen war. Ich hatte bei der Casting-Agentur ein professionelles Model angefragt: einen Typen, der früher mal sehr erfolgreich war; heute aber eben nicht mehr so sehr. Das war gar nicht so einfach: der Erste sah viel zu gut aus, der Zweite war zu gelackt, einer war einfach zu jung, und als Rudy reinkam, ein Holländer, der war etwa Mitte 50 damals, war klar, dass er das sein muß. Ich wollte, dass man bei dem Protagonisten im Film so eine Brüchigkeit ahnt. Und er paßte gleich perfekt in die ganzen Settings, etwa beim Fotoshoot vor der Leinwand, und auch in die Sets im Film.
Friedrich Kunath: You Owe Me A Feeling, in collaboration with David Berman and Michael Schmelling, 2013
MK: Wie ist die Zusammenarbeit gelaufen?
FK: Gut, easy, es war nur nicht ganz einfach, ihn zu fassen zu kriegen, der tauchte immer mal wieder ab, aber wenn er da war, lief das super und ich bekam auch genau das von ihm, was ich mir vorgestellt hatte. Aber das Spannendste war vielleicht das Einlösen seines Versprechens in der Öffentlichkeit, das Zusammentreffen mit der Wirklichkeit. Ich hatte ihn zur Eröffnung und zur Vorstellung von „You Go Your Way and I’ll Go Crazy“ bei Blum+Poe eingeladen, und es gab einen irren Auflauf. Der Film lief, Rudy stand im Anzug, mit dunkler Sonnenbrille, rauchend und mit hochgeklapptem Sakkokragen in der Ecke, und sofort drifteten die Leute zu ihm, standen Schlange und wollten Autogramme haben, weil alle selbstverständlich davon ausgingen, dass er der Künstler sei. Es war unglaublich, ich war völlig abgemeldet. Die Situation, die da entstand, hat ziemlich genau beschrieben, wie ich eigentlich meine Arbeit auch verhandeln möchte: es gab die Distanz, die Idiotie, alles funktionierte in diesem Zusammenhang. An dem Abend war er der Künstler.
Friedrich Kunath, You Go Your Way and I’ll Go Crazy, 2012, Digital Video, Courtesy der Künstler und BQ Berlin
MK: Du hast immer wieder Ausflüge in den Film gemacht – gibt es weitere Pläne?
FK: Ich habe Ideen für einen nächsten Film, der vielleicht so etwas wie eine Fortsetzung sein könnte, auch wieder mit Rudy. Die Idee wäre, in einer Gegend in Montana zu drehen, in einer Wildnis, und das mit meiner Bildwelt wieder zusammenzubringen… Ich habe Kontakt zu einem Animation Studio, und ich will unheimlich gerne mit echten Tieren was machen. Ein Esel sollte auch mitspielen. Unbedingt. Also: ein Esel, Animation und Rudy.
MK: Dein Werk wird häufig auf die Dialektik aus Comedy und Melancholie heruntergebrochen. Wie siehst Du es eigentlich selbst?
FK: Ich glaube, ich denke am meisten darüber nach, warum mich die beiden Pole so anziehen… Ich glaube, mich reizt so etwas wie ein Versprechen – ich weiß, dass es leer ist, und falle aber jedesmal wieder drauf rein. Meine Arbeit ist, glaube ich, letztlich der Kommentar zum Moment vor dem Fall; zur Fallhöhe, zum Sprung und auch zu der Verletztheit, die sich automatisch immer wieder einstellt. Eine Art reflektierte Naivität steckt da drin. Im Kern der Arbeit steht die Frage nach dem “Wenn Du weißt, dass es nicht funktioniert, warum machst du es dann?” Und es ist genau diese Anziehungskraft, die mich an Orte wie Los Angeles führt. Diese Reflexion beschäftigt mich ja jetzt schon seit 20 Jahren, und ich habe diesen Raum, den ich da in meiner Arbeit für mich definiert habe, ganz gut ausgeschmückt. Melancholie und Humor sind vielleicht nur Synonyme für “Nah “ und “Fern “, Manie und Depressivität. Ich lebe in diesen Indifferenzen; habe mich da ganz gut eingerichtet. Ich glaube, ich habe einfach keine Angst, das zu nehmen, was da ist, und dann diesen Schritt drüber zu gehen, denn die Kontraste machen es ja erst lebendig. Wenn du Musik hörst, muß es vielleicht eben auch mal Roger Whitaker sein…ich weiß natürlich, wie ironisch sich das anhört, aber ich meine das ganz im Ernst; je nach Situation kann das einem ganz viel bedeuten.
Friedrich Kunath, In Freddy’s room (study), 2016
MK: Welche Bedeutung hat Kitsch für Dich?
FK: Was bedeutet schon Kitsch? Mich interessiert so eine Definition nicht. Immer dieser Horror vor der falschen Entscheidung, immer diese Angst: was darf man und was darf man nicht? Was ich nicht mag, ist so eine Künstlerhaftigkeit, mit der man sich bestimmte Dinge verbietet, weil es ja Kitsch ist. Ich höre auch Phil Collins. Weißt Du noch, in der Spex gab es doch in den Jahreslisten sowas wie die Kategorie der “peinlichen Lieblingslieder”; das war für mich immer der Untergang. Es gibt keine Musik, die “man” nicht hören darf. Ich denke, es geht darum, das Substantielle in der Oberfläche zu suchen und umgekehrt.
MK: Das scheint auch für die Textfragmente in Deinen Bildern zuzutreffen…
FK: Ja, das spielt auch genau in die Texte in meinen Bildern rein, manchmal kann es ein falsch verstandener Werbespot sein, der dann zu etwas Anderem wird oder eine plötzliche Tiefe offenbart. Bei David Berman ist das auch so, der schnappt Dinge auf und schreibt die um und plötzlich wird das zu etwas, das eine große Philosophie besitzt.
MK: Wie ist Dein Verhältnis zur Ironie? Ich habe den Eindruck, dass sich in Bezug auf Dein Werk alle auf so eine Art übereinstimmendes Augenzwinkern geeinigt haben. Können Ironie und konstante Überzeichnung auch eine Falle sein?
FK: Na ja, die Nähe zum Kitsch ist ja etwas, was ich genau so suche. Das habe ich ja nicht erfunden, es gab ja schon in der deutschen Romantik bei Friedrich Schlegel den Begriff der “romantischen Ironie”, die Idee, bis hin zur Stufe des Ernstnehmens der Ironie zu gehen. Das hat mir mein eigenes Vorgehen immer am Besten erklärt: die Traurigkeit oder Hilflosigkeit in der Ironie zu sehen und sie ernst zu nehmen. Und damit auch anzuerkennen, dass ich durchaus emotional damit verbunden bin. Wenn ich es nicht wäre, hätte ich ja eine Distanz dazu, aber die hab ich nicht.
IInstallationsansicht Friedrich Kunath: Juckreiz, Sammlung Philara, Düsseldorf, 2016, © der Künstler und BQ, Berlin, Photo: Achim Kukulies
MK: Du hast bei Walter Dahn studiert, der ja für eine dezidierte Haltung oder eher eine Anti-Haltung zur Kunst steht. Spielt das für Deine Arbeit heute eigentlich noch eine Rolle?
FK: Meine Offenheit für die unterschiedlichsten Genres hat bestimmt mit meinem Studium bei Dahn zu tun; der hatte selbst ja große Probleme mit der Malerei, und hat das natürlich auch weitergebeben und einen ermutigt, auch andere Felder auszuprobieren. Und eins war natürlich immer klar, man wollte kein “Malerschwein” sein…
MK: Wie bist du eigentlich zur Kunst gekommen?
FK: Ich war nicht das typische Künstlerkind. “Künstler-Werden” war nie mein Ziel. Meine Mutter führte damals eine kleine Druck-Galerie, und Penck war mein Lieblingsmaler, also malte ich eine Weile so wie er… aber ich wollte nicht unbedingt Künstler werden. Meine Mutter hat irgendwann Arbeiten von mir in eine Mappe gepackt und in Braunschweig an der Akademie eingereicht. Da wurde ich, zur Überraschung aller Beteiligten, angenommen, und war dann da noch als halbes Kind unterwegs, während alle anderen irre erwachsen taten: die haben Opern gehört und gekocht und Wein getrunken, und ich bin meistens Skateboard gefahren und konnte all dem gar nix abgewinnen…Bei mir gab es nie diese Dringlichkeit, unbedingt Künstler zu sein, mit allem, was man will und braucht, um das zu repräsentieren…Irgendwann habe ich es dann für mich verstanden, aber es gab nie so ein Vertrauen in mich selbst… Ich denke immer mal wieder, das fliegt alles eines Tages auf. Eigentlich ist es ein Witz, was ich hier mache, weil ich mich nie als Künstler gesehen habe und das auch gar nicht so unbedingt sein wollte. Andererseits hat das aber immer wieder auch Druck rausgenommen und für eine gewisse Entspanntheit gesorgt. Bestimmte Spielarten des Künstler-Seins haben mich nie interessiert: die ganze Politik, wie man sich anzieht, mit wem man redet und all das… das habe ich nie gemacht. Natürlich ist mein Leben längst das eines professionellen Künstlers, mit Atelier und allem was das nach sich zieht. Trotzdem gibt es immer mal wieder diese kleinen Momente des Innehaltens, wo ich mir denke: “Ich mache das hier doch gar nicht wirklich.” Das ist wohl meine ganz persönliche Idiotie…
MK: Vieles in Deiner Arbeit spielt immer wieder auf Momente des Scheiterns, der Vergeblichkeit und der Resignation an. Welche Rolle spielt die Möglichkeit des Scheiterns in deiner Arbeit? Definierst Du so etwas wie „Scheitern“ überhaupt?
FK: Na klar. Es gibt ja diesen Spruch: „What happens if you try to fail and then succeed?“ Der beinhaltet diese ganze Idiotie, die sich ums Versagen dreht, denn in dem Moment, in dem du reflektierst, dass du scheitern kannst, hast du schon gewonnen. Das umfaßt die ganze Idiotie der Arbeit als Künstler. Natürlich könnte man sagen, alles, was du als Künstler machst, ist professionelles Scheitern, und darin dann die Poesie zu suchen, ist dann das Werk. Aber der Alltag sieht ja ganz anders aus: du hast irgendwann gelernt, Fehler zu machen, und du lernst irgendwann auch, welche Fehler du behalten mußt. Das klingt jetzt blöd, aber das einzige, was da hilft, ist, glaube ich: viel arbeiten. Viel im Atelier sein. Ich bin jeden Tag im Atelier und arbeite jeden Tag. Dann wird die Kunst, wie bei einem Musiker oder Schreiber, zu einer Sprache, die du lernst, und es wird zu einer Praxis, in der du lernst, deinen Fehlern und dem Prozess zu vertrauen.
MK: Wo Du von künstlerischer Praxis sprichst: in Deinem Atelier gibt es einen riesigen Tisch voller Platten, Bücher, Kataloge, Krempel. Wenn ich mir Dein ausuferndes Werk anschaue, frage ich mich: wie entwickelst Du neue Arbeiten? Recherchierst Du gezielt nach Themen für neue Projekte oder ist es ein ständiges Schauen, suchen, sampeln? Jedes einzelne Bild, jede einzelne Arbeit funktioniert bei Dir ja wie ein Bewußtseinsstrom, oder eher ein Stream of Un-Consciousness …
FK: Ich versuche immer ganz gern, die Dinge traurig zu machen. Wenn ich irgend etwas sehe, das mich interessiert, frage ich mich unweigerlich: Wo ist der Irrsinn, wo der Trost, wo riecht es für mich nach Komik? Und im Atelier umgebe ich mich mit Dingen, die mich so agitieren, dass sie mir helfen, meine Sprache zu sprechen. Das ist ja nicht wahllos, meist sind es Bücher oder kleinere Skulpturen. Ich schaue mir auch viel Kunst an. Und ich merke mir Songtexte, Sprüchen, Zitate, die sind alle abgespeichert, und ich bin ziemlich gut darin, aus meinem Repertoire im Kopf direkt zu einer Situation, die ich im Atelier sehe, den passenden Satz abrufen zu können. Der Satz löst dann so eine Art Domino-Effekt aus: der Satz wird zu einer Idee, die wird zu einer Skizze, die wieder zu einem Objekt wird. Meine Arbeit fängt also quasi da an, wo die Worte aufhören.
Friedrich Kunath, Juckreiz, Sammlung Philara, Düsseldorf, 2016 / © der Künstler und BQ, Berlin Photo: Achim Kukulies
MK: Schreibst du auch selbst?
FK: Ich schreibe jeden Tag etwas, aber manchmal ist das nur ein Wort. Ich habe seit Kurzem ein neues Atelier, wo ich versuche, ganz bewußt immer neue Leute aus völlig unterschiedlichen Bereichen reinzubringen, um neue Anregungen reinzuholen und die Dinge im Fluß zu halten. Jetzt gerade ist ein Musiker da, der Musik für die Band “Warpaint” produziert, außerdem habe ich so eine Art Galerie eingerichtet, wo junge Leute ihre Sachen zeigen können. Diese Öffnung geht in L. A. ganz gut, hier bietet es sich an, die Grenzen zwischen Musik, Kunst, Hollywood zu verwischen.
MK: Ganz zum Schluß noch die Klassiker-Frage: wie ernst nimmst Du die Ironie?
FK: Auch, wenn es für manche Leute irgendwie nicht so aussieht: ich nehme das alles, was ich mache, wirklich ernst. Mir geht es in allem, was ich mache, um so etwas wie Tröstung. Deswegen funktioniert auch Popmusik – sie tröstet mich.
MK: Und was geschieht in der Kunst?
FK: Ich glaube, ich möchte etwas Ähnliches erreichen, wie dieser Moment in einem Popsong, wo ich rechts ranfahren muß, weil ich Tränen in den Augen habe, oder in einem Film, wo jemand etwas sagt oder macht, bei dem ich denke: „Fuck, das macht jetzt gerade dein ganzes Leben gültig“. Ich schätze, diese naive Idee, genau das auch in der Kunst zu können, ist durchaus bei mir vorhanden. Deswegen ist das, was ich mache, nie ganz ironisch.
Ausstellung noch bis 11. September, Sammlung Philara, Birkenstr. 47, 20233 Düsseldorf
Friedrich Kunath, We’ll Meet Again (Second Chances), 2015, Acryl auf Leinwand