I’m not real but you can trust me

Digitale Influencer bereiten User auf die arglose Interaktion mit künstlichen Wesen vor. Als Teil unseres Alltags verlieren sie ihre Fremdheit.

Wer heute auf Instagram shoppt und sich dabei von Models und Influencern inspirieren lässt, trifft bald auf @shudu.gram oder @lilmiquela, die auf den ersten Blick wie reale Personen wirken, doch wenn man genauer hinsieht, erkennt man: Sie sind computeranimiert. Für Werber und Unternehmen heißt das: immer bereit, immer im Einsatz, genügsam, pflegeleicht, wunderbar steuerbar. So gesehen ist es erstaunlich, dass es nicht schon viel mehr Digi-Influencer gibt, denn die brauchen keine Pause, kriegen keine Kinder oder Depressionen und werden nicht älter oder gar zu alt.

Das Problem: Die virtuellen Idole sind nicht ganz einfach herzustellen. Dafür braucht man Profis und Equipment, so wie den britischen Fotografen Cameron-James Wilson, der mit Programmen wie Daz 3D, CLO 3D und Photoshop einen der bekanntesten, aber auch umstrittensten CGI-Charakter geschaffen hat: Shudu. „The World’s First Digital Supermodel“ hat elegant verlängerte Proportionen und eine schimmernde, übernatürlich perfekte, dunkle Haut.

Um Shudu entbrannte eine heftige Kontroverse: Einige der ersten Follower, die zunächst glaubten, einen echten Menschen zu sehen, zeigten sich entrüstet, andere betonten ihre Erleichterung darüber, dass Shudu nicht echt sei. Wilson wurde für seine Kreation angefeindet: User beklagten, er betreibe mit Shudu die „Ausbeutung schwarzer Schönheit“ ohne ein reales schwarzes Model für seine lukrativen Bilder bezahlen zu müssen. Und das vor dem Hintergrund, dass schwarze Models im globalen Werbemarkt nach wie vor unterrepräsentiert sind.

Wilson bezeichnete Shudu fortan als „Kunstprojekt“. Und das verdient längst viel Geld: Als Rihanna ein Foto repostete, auf dem Shudu einen Lippenstift aus ihrer Kosmetiklinie „Fenty Beauty“ trug, ging die Figur erstmals viral. Mittlerweile führt sie die „Balmain Virtual Army“ an, die Wilson mit Olivier Rousteing, Chefdesigner des Labels Balmain, entwickelt hat. Die „Armee“ besteht aus drei Models, ethnisch korrekt zusammengebaut, um international zu funktionieren: die Kaukasierin Margot, die Asiatin Zhi und eben Shudu. Ihre Agentur The Diigitals bemüht sich um Kooperationen mit großen Brands und vertritt insgesamt sieben virtuelle Charaktere, darunter das Plus-Size-Model Brenn und das Alien-Model Galaxia. Auch hier gab es Kritik: Medien und User beklagten, dass die holzschnitthaften Beautys wohl kaum zur „Diversity“ beitrügen, jener Vielfalt und Multikulturalität, die heute jeder Designer für sich beansprucht.

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